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7. Juni 2017 3 07 /06 /Juni /2017 12:44

Der Bundestag hat letzte Woche relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit die Bund-Länder-Finanzreform in namentlicher Abstimmung mit der notwendigen Zweidrittel-Mehrheit gebilligt. Dafür stimmten 455 Abgeordnete, es gab 87 Gegenstimmen und 61 Enthaltungen. Bundestagspräsident Norbert Lammert hat gegen das Gesetz gestimmt. Durch die Reform erhalte der Bund zu viele Kompetenzen – zulasten der Länder und der Kommunen. Lammert sprach gar „von einem monströsen Eingriff in das Grundgesetz“. Wahrscheinlich hat er Recht. Geld gegen Kompetenzen, das scheint das Tauschgeschäft zu sein. Es sieht deutlich nach einem Danaergeschenk aus, das sich für die Städte und Gemeinden als unheilvoll und schadenstiftend erweisen wird. Wenn von Berlin aus über Kitas und Schulsanierungen entschieden wird, ist dies ein massiver Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Bundestagsabgeordnete werden sich künftig noch mehr als bisher publikumswirksam als Geldbriefboten aus Berlin betätigen. War es noch Ziel der sog. Föderalismusreform im Jahre 2007 klare Trennlinien zwischen den Zuständigkeiten des Bundes und der Länder zu schaffen, kommen jetzt über das Vehikel des Geldes Zuständigkeitsverlagerungen auf den Bund. Vor dem Hintergrund ist es geradezu skandalös, dass der Deutsche Städtetag die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen begrüßt hat. Der Städte- und Gemeindebund NRW, der sonst recht schnell mit Stellungnahmen zu allen möglichen Themen nicht zurückhaltend ist, schweigt bisher.

Zum Schluss ein Zitat.

„So sieht ein großer Tag für den deutschen Föderalismus aus. Sechzehn Länderchefs strahlen um die Wette. Schließlich sind sie großzügig bedacht worden. . . Nur der Finanzminister blickt etwas griesgrämig, aber das tut er oft, denn schließlich muss er meistens die Zeche zahlen. Die Veranstaltung heißt Finanzausgleich, sie fand am vergangenen Wochenende statt, und das Ergebnis wurde als wegweisender Kompromiss zugunsten aller gepriesen. Wegweisend? Von wegen! Der Kompromiss von Berlin taugt nicht viel, und dass er zwanzig Jahre halten soll, kann glauben, wer mag. Worum ging es? Im Prinzip um die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Jedes Jahr werden rund 50 Milliarden Mark zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Ländern selbst hin und her geschoben, um die Lebensbedingungen zwischen den Regionen anzugleichen. Das Verfahren ist leidlich bekannt. Die armen Länder jammern, sie kämen zu kurz. Die reichen Länder klagen, man nähme ihnen zu viel weg. Der Bund gibt zu bedenken, er habe nichts zu verteilen. Und am Ende steht immer ein Kompromiss, den die Bürger nicht nachvollziehen können - so wenig wie die Mechanismen des gesamten Finanzausgleichs, dessen Komplexität sogar manchen Minister überfordert. So war es auch diesmal - was besonders ärgerlich ist, weil die Chance auf Besserung bestand.“

DIE ZEIT 28. Juni 2001

 

 

 

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